Maxl und seine Freunde hatten einen langen Schulweg , dreieinhalb Kilometer . Für in die Schule mussten sie oft rennen , denn meistens
waren sie spät dran , doch das machte ihnen nichts aus - sie waren das gewohnt .
Aber für den Nachhauseweg da konnten sie sich Zeit lassen . Zwar hiess es immer :
"Komm ja gleich heim nach der Schule !" Aber im Sommer , wenn es so richtig heiss
war , und damals war es im Sommer immer heiss , da trödelten sie gerne und machten
auch schon mal einen Umweg abseits der Strasse , auf Feldwegen , durch Wiesen
und Felder , denn da konnte man so manches Abenteuer erleben .
Es war so ein heisser Tag , und weil die Lehrer eine Konferenz hatten durften die
Schulkinder früher nachhause gehen als sonst . Hurrah ! Kommt ihr mit ? fragte Maxl .
"Ich weiss wo ein grosser Tümpel ist , den habt ihr bestimmt noch nicht gesehen !"
Natürlich wollten alle den Tümpel sehen , denn da gab es sicher auch Frösche .
Übermütig rannten sie und bald schon sahen sie den grossen Tümpel , Maxl hatte nicht
zuviel versprochen . Das Wasser war überzogen mit grüner schleimiger Gänsegrütze
und roch schon faulig , denn es hatte lange nicht geregnet . Es machte trotzdem Spass
Steine hinein zu werfen , dass es aufspritzte und , tatsächlich konnte man auch Frösche
sehen wie sie sich schnell unter die grüne Oberfläche retteten .
Und -was bewegte sich denn dort an der anderen Seite des Tümpels ? Das schien kein
Frosch zu sein , was da so zappelte ? Da war doch etwas komisch , und Maxl rannte
schnell hinüber um zu schauen was das sein könnte . Schon wollte er einen Stein nach
dem zappelnden Etwas werfen , da sah er dass es ein Vogel war , der da im Wasser
hilflos flatterte . Ein junger Vogel ?
" Hört mal bitte auf mit den Steinen zu werfen !" rief er . " Da ist ein junger Vogel ,
der ertrinkt wenn wir ihn nicht rausholen !"
Der Vogel war zu weit vom Rand entfernt , als dass man ihn mit der Hand hätte fassen
können und niemand traute sich in das unappetitliche Wasser , auch Maxl nicht .
Er fand einen Stock , und mit diesem versuchte er den Vogel herbei zu ziehen . Der Vogel
aber flatterte in seiner Angst nur noch weiter weg vom Rand und verfing sich immer mehr
in den Schlingpflanzen . Da fasste sich Maxl doch ein Herz und stieg schnell und
doch vorsichtig ins Wasser , und nach zweimaligem Hinlangen hatte er den Vogel . Endlich :
" Gerettet ! Ich hab ihn gerettet !" rief er .
Zum Glück war das Wasser an dieser Stelle nur knietief gewesen , denn , dass er
ausgerutscht und dabei selber ins Wasser geplumpst war , hatte Maxl in seinem Eifer
nicht einmal so richtig bemerkt . Erst als die anderen Buben lauthals lachten , schaute
er verdutzt an sich herunter . Igitt , wie sah er nur aus ? Alles grün , die Beine , die
Hose , ja selbst das Hemd ! Das würde sicher Ärger geben wenn er nachhause kam .
Aber Maxl war trotzdem froh dass er den Vogel gerettet hatte , und hielt ihn vorsichtig
in der Hand . Völlig nass war das Gefieder . Mit seinem Taschentuch wischte er den Vogel
sauber ab und schob ihn sich dann unter das Hemd damit er sich wärmen konnte . Denn
der kleine Vogel zitterte ganz erbärmlich und sein Herz pochte wild vor Angst .
"Armer kleiner Vogel " , sagte Maxl , " wie bist du auch in das Wasser geraten ? Ich werde
dich mit nachhause nehmen und dich pflegen damit du wieder gesund wirst !"
Unterwegs fasste er immer wieder mal mit der Hand unter sein Hemd - er war immer noch nass ,
der kleine Vogel , und er zitterte immer noch . Manchmal setzte sich Maxl auch auf den
Boden und liess den Vogel frei auf der Hand sitzen , damit er in der heissen Sonne besser
trocknen konnte , und der kleine Vogel machte keine Anstalten davon zu hüpfen . Maxl freute
sich dass der kleine Vogel bei ihm blieb . Er würde sich den kleinen Vogel zähmen und der
würde immer bei ihm bleiben . Ja , das wollte er machen .
Bald war der kleine Vogel fast ganz trocken und als Maxl ihn wieder auf die Erde setzte ,
da machte er schon kleine Versuche zu hüpfen , aber er liess sich leicht wieder in die
Hand nehmen und zeigte keine Angst mehr . Wie zutraulich er schon geworden ist , dachte
Maxl . Und zu dem Vogel sagte er : "Ich werde jeden Tag Würmer für dich suchen , bist ein
lieber Vogel !"
Kurz bevor er zuhause war , fühlte er noch mal nach dem Vogel . Schön trocken war er
inzwischen geworden und das Gefieder fühlte sich samten an . Noch einmal holte er den
kleinen Vogel aus seinem Hemd hervor , setzte sich auf den Boden und liess ihn auf seiner
Hand sitzen.
Der kleine Vogel schüttelte sich , streckte einen Flügel , spreitzte ihn weit auseinander
und dann den anderen Flügel genauso . Mit dem Schnabel fuhr er zwischen die Schwingfedern
als wolle er sie prüfen , ob sie auch noch ganz seien . Dann hüpfte er etwa einen halben
Meter von Maxl weg . "Schön", sagte Maxl , " du kannst es bald wieder siehst du ?"
Ach wie stolz fühlte sich Maxl !
Und Maxl wollte den kleinen Vogel wieder in seine Hand nehmen , doch da hüpfte der weiter
weg und dann flog er auf - auf und davon ! Ein paar Meter flach über dem Boden , und dann steil
nach oben , immer höher , dem Himmel entgegen !
Maxl war erschrocken und schaute ihm traurig nach , und als er ihn gerade noch so sehen
konnte , so hoch oben , da schien es als bliebe der kleine Vogel oben am Himmel stehen ,
und man konnte das laute "Zzzzirp Zzzzirp" einer Lerche hören - denn das war der kleine
Vogel ...
Und in die Traurigkeit mischte sich gleichwohl so etwas wie ein Glücksgefühl , dass er
den Vogel zwar nicht hatte zähmen können , aber immerhin : gerettet hatte er ihn - er , der
kleine Maxl ! !
Merkwürdig , von da an träumte Maxl oft des Nachts , er könne fliegen wie ein Vogel - und wann immer er im Traum sich in Gefahr sah , breitete er seine Arme aus und erhob sich in die Lüfte , hoch in den Himmel . Das war lange Zeit so , auch als aus Maxl längst Max
geworden war...
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