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Gute - Nacht - Geschichten


Blumen für Elli



Der Kirschbaum in Nachbars Garten war der Grösste weit und breit . Die Kirschen wurden gross und fast schwarz wenn sie reif waren . Aber es war wohl auch der einzige Kirschbaum in der Gegend der nicht geplündert wurde . Der Nachbar war nämlich Schutzmann , eine richtige Respektsperson ! Niemand wäre es in den Sinn gekommen über den Zaun zu steigen , obwohl die Gärten direkt an den Wald angrenzten und es ein Leichtes gewesen wäre , auch wenn da ein stets verriegeltes Eisentor war . Und ausserdem hatte der Nachbar noch Meppel , ein Foxterrier der immer an seiner Hundehütte angebunden war . Überhaupt hatte der Garten des Nachbarn etwas geheimnisvolles an sich . Da wuchs einfach alles wunderbar .

Wenn vom Nachbar Schutzmann und seiner Frau die Rede war , hiess es des öfteren dass die eben einen grünen Daumen hätten . Maxl wusste nicht so recht was das sollte , denn er hatte noch nie sehen können dass die Frau des Schutzmanns einen grünen Daumen an ihrer Hand hatte , weder an der rechten noch an der linken Hand . Aber Elli , das war die Tochter des Schutzmanns und seiner Frau , hatte Maxl erzählt dass ihre Mutter und auch ihr Vater keinen grünen Daumen haben ! Sie musste es wissen , und ihr glaubte Maxl .

Oft sassen die beiden beisammen am Grenzstein ihrer Vorgärten und spielten und plauderten zusammen . Und wenn Maxl mal Streit hatte mit älteren Buben die grösser waren als er , dann beschützte ihn Elli . Wenn sie dabei war , musste sie nur sagen : " Lasst den Maxl in Ruhe " ! - Dann hörten sie sofort auf , ohne Widerrede und trollten sich , obwohl Elli eher zierlich war und auch nicht grösser als Maxl . Elli hatte eine aussergewöhnlich liebenswürdige Ausstrahlung . Mit ihren kurzgeschnittenen blonden , lockigen Haaren , den grossen hellblauen Augen und ihrem hellen Lachen das einfach zu Herzen ging . Immer war sie fröhlich , und alle mochten sie in der Nachbarschaft . Man musste sie einfach gern haben . Und Maxl hatte sie sehr gern , Elli war Maxls liebste Spielkameradin !
Sie waren beide gleichalt . Trotz ihrer unbekümmerten Fröhlichkeit konnte Elli auch sehr ruhig und besonnen sein , das gefiel Maxl . Und , dass sie so vieles wusste was er,Maxl, nicht wusste ! Sie war einfach klug , ja - sie war sehr gescheit und sie wusste auf alle Fragen immer eine Antwort . Er hörte ihr so gerne zu wenn sie ihm so Sachen erzählte die er nie gehört hatte . Wenn ihr Vater , der Schutzmann , in seiner Uniform fort ging , wusste sie dass es lange dauern würde bis er wieder kommen würde . Dann kam sie manchmal mit ihrem Hund , dem Meppel , runter zum Gartenzaun .

Maxl liess den Meppel unter dem Zaun durch ein geheimes Loch schlüpfen und Elli kletterte über den Zaun , und dann tollten sie im Wald umher , sie scherzten und spielten Fangen . Meppel hatte seine Freude dass er nicht angebunden sein musste und er machte jeden Weg wohl doppelt und dreifach , denn er wetzte immer einige Meter voraus und wieder zurück . Aber rufen musste man ihn nie - wo Elli war da war auch Meppel ! Und wenn Elli und Maxl auf den Bäumen rumkletterten , dann buddelte er unten im Waldboden nach Mäusen oder Steinen oder sonstwas - vielleicht wusste er selbst nicht wonach er suchte , jedenfalls machte es ihm Spass . Manchmal grub er in seinem Eifer so tiefe Löcher dass man nur noch gerade mal seinen Stummelschwanz sehen konnte . Es war immer lustig wenn sie zusammen im Wald sein konnten . Elli konnte genauso gut in den Bäumen klettern wie Maxl , besser noch ! Ach , Elli konnte so vieles !

Elli wusste auch , dass nicht der Klapperstorch die Kinder brachte , sondern dass sie aus dem Bauch der Mädchen kommen . " Aber erst müssen sie verheiratet sein" , sagte Elli , "dann werden sie dick und dann bekommen sie ein Kind " . Maxl konnte sich zwar nicht erinnern dass er jemals im Bauch seiner Mutter gewesen ist . Aber Elli sagte dass ihre grosse Schwester auch einen dicken Bauch gehabt hatte vorher , bevor sie ihr Kind bekommen hat . " Mal hat sie dann ganz lange ganz laut geschrien und dann ist eine fremde Frau gekommen und hat das Kind rausgeholt " . Wie hat sie das gemacht ? Elli zuckte mit den Schultern : " Weiss nicht ich durfte nicht dabei sein " .
Aber nachher hatte Elli doch zu ihrer Schwester ins Zimmer gedurft , und die hat gelacht und geweint und zu ihr gesagt sie möchte grad noch mal ein Kind haben . " Obwohl es weh gemacht hat " ? Maxl staunte . "Ja" , sagte Elli : " Es war sogar ein richtiges Kind , ganz nackt und in ein Handtuch gewickelt , nicht bloss so eine Puppe wie ich habe " ! Aber wie haben die das Kind in den Bauch gemacht vorher ? wollte Maxl denn doch wissen . Elli dachte nach und dann sagte sie : " Weisst du , meine Schwester hat mir erzählt dass jetzt das Blut von ihr und Robert in dem Kind ist " ! Sie haben einfach ihr Blut gemischt und hinein gemacht und dann ist es im Bauch gewachsen !

Während sie so miteinander redeten , hatte Elli angefangen Blumen zu pflücken die durch den Gartenzaun gegen den Wald gewachsen waren . Margeriten und Butterblumen dazwischen und Maxl hatte auch einige abgerupft . Sie setzten sich vor dem Gartentor nieder und Elli begann aus den Blumen einen Zopf zu flechten , bis er lange genug war dass sie ihn sich um den Kopf winden konnte , dann knüpfte sie ihn zusammen zu einem Kranz .
" Du musst mir den jetzt aufsetzen " , sagte sie mit feierlicher Miene . Maxl setzte ihr den Blumenkranz sorgsam aufs Haar . Elli drehte ihren Kopf von einer Seite zur anderen und tat so als schaue sie in einen Spiegel . " Gefall ich Dir " ? " Ja , sehr " , sagte Maxl bewundernd , denn sie sah wirklich sehr hübsch aus so , hübscher noch als sonst . Elli lächelte , und ernsthaft und bestimmt sagte sie : " Ich werde dich jetzt heiraten " ! Das war so selbstverständlich , da gab es nichts zu fragen : Maxl war natürlich einverstanden .
" Wir müssen jetzt noch zu den Rosen " , sagte Elli und nahm ihn bei der Hand . Sie kletterten über das Gartentor in ihren Garten , gingen zu den Rosen und sie suchte wo es die grössten Dornen hatte am Strauch . Als sie eine Dorne gefunden hatte die ihr geeignet schien , drückte sie ihren Zeigefinger darauf , fest , bis Blut aus ihrem Finger tropfte . " Du musst jetzt dasselbe machen Maxl " , sagte sie . Und Maxl machte es ebenso . Nun drückte Elli ihren Zeigefinger auf Maxls Zeigefinger dass sich ihr Blut vermischte und dann leckte sie von beiden Fingern das Blut abwechselnd ab bis kein Tropfen Blut mehr kam . " Jetzt müssen wir uns noch einen Kuss geben dann ist es richtig " , und sie drückte hastig , kurz ihre Lippen auf Maxls Lippen . Und Maxl musste ihr dann auch so einen Kuss geben .
Elli strahlte und rannte zum Kirschbaum . " Komm mit , ich brauch noch Ohrringe " , rief sie und kletterte auf den Baum hinauf . Die unteren Kirschen waren schon längst geerntet , aber ganz oben , dort wo man mit der Leiter nicht hinkam , da hingen noch prachtvolle süssse Kirschen . Zwei paar Zwillingskirschen durfte Maxl noch an Ellis Ohren hängen und sie bewundern , und dann hockten sie gemütlich zusammen in den Ästen und assen Kirschen - das war ihr Hochzeitsmahl !

Es war das erstemal dass Maxl auf diesem Kirschbaum war und die Kirschen waren so gut . " Du kannst soviele essen wie du magst " , sagte Elli , und auch sie ass tüchtig . Sie fühlten sich da oben wie im Schlaraffenland . Dann bekam Elli Durst und wollte Wasser trinken gehen im Haus . Aber das traute sich Maxl denn doch nicht , obwohl niemand zuhause war an dem Tag bei Elli - zu gross war der Respekt vor ihrem Vater dem Schutzmann . Ausserdem hatten die Erwachsenen immer gesagt dass man auf Kirschen kein Wasser trinken darf , also lieber nicht ! Doch Elli hatte zu grossen Durst , sie ging alleine Wasser trinken und kam dann wieder . Und sie assen weiter Kirschen zusammen und immer wieder mal ging Elli Wasser trinken zwischendurch , und Milch auch .

Und dann wurde es Elli schlecht . Sie bekam Bauchweh , aber es war so schön auf dem Baum und sie fühlte ihren Bauch . " Sieh mal mein Bauch wird schon dick " ,sagte sie , " und meiner Schwester ist auch immer schlecht gewesen " ! Maxl durfte ihren Bauch anfassen und er war wirklich schon dick , und Elli tat ihr Bauch immer mehr weh .
Dann kam der Pfiff ihres Vaters , dies bedeutete dass sie schleunigst ins Haus zurück musste . Meppel sauste wie der Blitz in seine Hundehütte als er den Pfiff hörte . Schnell kletterten beide vom Baum , Elli rannte ins Haus und Maxl schlich schnell aus dem Garten .
Am nächsten Tag sah Maxl Elli nicht , und am übernächsten auch nicht . Es wurde erzählt dass Elli krank sei , sie habe viele Kirschen gegessen und viel Wasser getrunken als ihre Eltern nicht zuhause waren und sie sei jetzt schwer krank . Niemand fragte Maxl was , also hatte Elli nicht verraten dass er auch auf dem Kirschbaum gewesen ist . Am nächsten Tag hiess es Elli sei ins Krankenhaus gebracht worden . Und nochmal zwei Tage später machten die Erwachsenen alle ganz betrübte Gesichter und redeten nur leise miteinander und die Kinder mussten ganz ruhig sein ...
Elli war gestorben !

Unbegreiflich war es allen was geschehen war , und Maxl konnte es erst recht nicht begreifen . Und als sich die Erwachsenen in ihren schwarzen Kleidern versammelten um gemeinsam auf den Waldfriedhof zu gehen wo Elli beerdigt würde , da durfte Maxl nicht mit . Das sei nichts für Kinder hatte Maxls Mutter gesagt , aber wahrscheinlich war es so weil er keine schwarzen Kleider hatte zum anziehen .

Maxl sass auf dem Grenzstein neben dem Vorgartentürchen wo er oft mit Elli gesessen hatte , und schaute dem Trauerzug nach und weinte . Sehr viele Leute aus der Nachbarschaft zogen mit . Und Maxl dachte für einen Moment er hätte sogar auch Meppel gesehen wie er hinterher trottete .
Als die Grossen wieder von der Beerdigung zurück kamen , sagten alle dass Elli in ihrem Sarg gelegen hätte , ganz so als wenn sie schliefe . Man hätte ihr garnicht angesehen dass sie tot sei . So ein liebes Mädchen , schade dass sie jetzt tot sei - hätte sie doch nur nicht Wasser auf die vielen Kirschen getrunken ! Aber das war kein Trost für Maxl , er fühlte sich einsam und verlassen . Und am nächsten Tag hörte er Ellis Vater pfeifen und immer wieder pfeifen . Aber er pfiff nicht nach Elli ,das konnte er ja nun nicht mehr -
Meppel war weg ! Einfach verschwunden sei er , niemand konnte sich vorstellen wieso er nicht an seiner Hütte angebunden war . Ja , doch , jemand hatte ihn bemerkt auf dem Waldfriedhof und hatte ihm einen Tritt versetzt weil er immer zu nahe ans Grab gekommen ist während der Pfarrer seine Grabpredigt hielt - niemand sonst hatte darauf geachtet , und danach hatte ihn auch niemand mehr gesehn . Nun war er also weg , der Meppel - wird sich wohl verirrt haben , hiess es .

Maxl hatte sich vorgenommen alleine auf den Waldfriedhof zu gehen und nach zwei Wochen endlich konnte er das auch . Er wusste nur ungefähr wo das war , aus Erzählungen , aber er würde es schon finden . Weit sei es hatte er gehört , über eine Stunde müsse man laufen wenn man die Abkürzung nehme . Er nahm die Abkürzung , der Weg führte an Wiesen vorbei und er pflückte einen schönen Strauss von Margeriten und Butterblumen .
Der Waldfriedhof war sehr gross und weitläufig und Maxl staunte dass so viele Tote dort schliefen , und er brauchte lange bis er das Grab von Elli endlich gefunden hatte . Ein ganzer Berg von Blumen und Kränzen bedeckte das Grab , so dass man kaum das schlichte Holzkreuz sehen konnte wo Ellis Name drauf stand . Neben dem Grab stand eine Birke und da setzte er sich hin , und aus dem Blumenstrauss den er gebracht hatte flocht er einen Kranz - genauso wie es Elli gemacht hatte . Und er war auch fast genauso schön , aber nur fast . Es war ein heisser Tag .

Maxl war müde und traurig , und er dachte lange an Elli - und dann war sie bei ihm ! Zuerst hörte er ihr helles Lachen , das ihm immerzu in den Ohren klang und dann sah er ihr strahlendes Gesicht und sie wendete den Kopf mit dem Blumenkranz darauf , und dann beugte sie sich über ihn und gab ihm einen Kuss . Aber sie hörte nicht mehr auf und leckte sein Gesicht und kratzte ihn an den Armen und ihre Zunge war so seltsam nass und sie winselte wie der Meppel vor Freude .
" Elli wie der Meppel " ?
" Elli " !!!! Maxl schreckte auf und war verwirrt , und dann begriff er . Es war Meppel der sein Gesicht so abschleckte und freudig winselte und jaulte und mit den Pfoten an ihm kratzte bis er aufgewacht war ! Lieber kleiner Meppel , und wie er aussah : ganz mager war er geworden ! Maxl drückte ihn gerührt an sich und stand auf .
Er hängte den Blumenkranz für Elli sorgsam über das Kreuz und nahm Abschied von Elli . Nie , nie würde er sie vergessen , das hat er ihr versprochen . Und er wollte wieder kommen so lange wie sie tot war ... !

Den Meppel trug Maxl auf den Armen bis nachhause . Er hätte Meppel gerne bei sich behalten , doch seine Mutter sagte er müsse ihn abgeben , aber er traute sich nicht , und so brachte sie ihn rüber zu Ellis Eltern .
Armer Meppel , er bekam eine Kette um den Hals damit er nicht wieder davon laufen konnte . Und wenn Maxl zum Gartenzaun kam , um ungestört an Elli zu denken , da wo gegenüber der Kirschbaum stand , dann sah er auch Meppel , und Meppel sah ihn und wedelte freudig mit seinem Stummelschwanz und winselte leise zu Maxl . Aber rüber zu steigen in Nachbars Garten , ohne Elli , das getraute Maxl sich nie.
Und so richtig erwachsen geworden ist er auch nie , für ihn sind Margeriten und Butterblumen immer noch die Blumen für Elli...




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